Versammlungsrecht nur für Deutsche?

Deine Versammlung ist von verschiedenen Gesetzen geschützt, unter anderem vom wichtigsten Gesetz Deutschlands, nämlich dem Grundgesetz (GG), unserer Verfassung.

In Art. 8 I GG ist das Versammlungsrecht verankert:

Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art 8 Abs. 1

Aber Moment! „Alle Deutschen“? Wer genau sind denn „Alle Deutschen“? Und dürfen sich Menschen, die nicht „Deutsche“ sind, dann trotzdem versammeln?

Wer ist Deutsche*r?

Rechtlich gesehen ist Deutsche:r gem. Art. 116 I GG, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Alles klar, bis hierher verständlich.

Schwieriger wird es beispielsweise bei Menschen, die eine französische oder spanische Staatsangehörigkeit haben. Sie sind damit zwar keine „Deutschen“, aber dürfen sich trotzdem auf Art. 8 I GG berufen. Grund hierfür ist, dass Deutschland – und Spanien und Frankreich – Teil der Europäischen Union (EU) sind. Und Unionsbürger dürfen grds. nicht gegenüber Staatsbürgern benachteiligt werden. Juristisch heißt das, die deutsche Verfassung muss europafreundlich ausgelegt werden.

Also können sich auch EU-Bürger auf Art. 8 GG berufen, obwohl sie keine deutsche Staatsangehörigkeit haben.

Dürfen sich auch Ausländer*innen versammeln?

Und wie steht es nun um Menschen, die weder die deutsche noch die europäische Staatsangehörigkeit haben?

Grundsätzlich können sich diese Menschen nicht auf das Versammlungsrecht aus Art. 8 I GG berufen. Allerdings wird das Versammlungsrecht aus Art. 8 I GG im jeweiligen Versammlungsgesetz des Bundes (oder der jeweiligen Länder) deutlicher erklärt. Dort findet man beispielweise Informationen dazu, wie die Versammlung angemeldet werden muss, welche Maßnahmen gegen die Versammlung unternommen werden dürfen etc. (siehe Artikel zu VersG (NRW)). Das Versammlungsrecht wird dort also detailliert erläutert.

Das VersG NRW für Nordrhein-Westfalen zum Beispiel regelt das Versammlungsrecht in § 1 VersG NRW nicht für „Alle Deutschen“, sondern für „Jede Person“. Also dürfen sich in NRW auch alle Menschen versammeln, die nicht die deutsche oder eine europäische Staatsangehörigkeit haben. Das gleiche gilt für die anderen Bundesländer, wie zB auch in Niedersachsen (vgl. § 1 NVersG).

Kein Versammlungsrecht mehr für Nicht-Deutsche?

Aktuell gibt es aber Politiker*innen, die genau diese Regelungen im Versammlungsgesetz nicht gutheißen. Sie würden gerne das Versammlungsrecht auf Deutsche beschränken.

Im November 2023 hat eine FDP-Politikerin vorgeschlagen, das VersG so zu ändern, dass die Versammlungsfreiheit so nur für Deutsche gelten solle. Versammlungen, die von Ausländern angemeldet werden, dürften damit leichter eingeschränkt oder gar verboten werden. Hintergrund waren Pro-Palästina-Demos, auf denen die Symbole der Terrororganisation „Islamischer Staat“ gezeigt wurden, und laut Polizei islamistische Forderungen gestellt wurden.

Auch die für ihre ausländerfeindlichen Aussagen bekannte Partei AfD nahm im März 2024 das Thema auf und stellte einen Antrag im Landtag in Niedersachsen, um das VersG für Niedersachsen entsprechend zu ändern.

Es ist keine Frage, dass das Versammlungsrecht vor Zweckentfremdung und Missbrauch geschützt werden muss. Hass kann nicht durch das Versammlungsrecht geschützt werden. Gerade in Zeiten des wachsenden Antisemitismus in Deutschland muss nach Lösungen für dieses Problem gesucht werden.

Die Antwort darauf kann nicht Diskriminierung und Ausgrenzung sein. Das Versammlungsrecht muss gerade auch unbequeme Versammlungen schützen, und muss besonders Minderheiten die Möglichkeit geben, ihre Sorgen und Probleme an die Öffentlichkeit zu tragen.

Der NRW Justizminister Benjamin Limbach (Bündnis 90/DIE GRÜNEN) reagierte auf die Vorschläge ebenfalls kritisch: Die Gefahr für den Rechtsstaat geht nicht von der Staatsangehörigkeit der Teilnehmer:innen aus, sondern hänge von der Friedlichkeit der Versammlung ab. Diese ist unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Teilnehmenden.

Nur noch Deutschen das Demonstrieren zu erlauben, geht somit am Problem vorbei.

Mehr Informationen dazu findet Ihr unter

„Grundrecht steht nur Deutschen zu“: FDP-Politikerin will Versammlungsfreiheit für Ausländer einschränken (tagesspiegel.de)

Landtag: AfD will Versammlungen für Ausländer einschränken | ZEIT ONLINE


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