Der Brokdorf-Beschluss

Piktogram eines Mannes in grün, der über seinem Kopf ein Schild hält.

Das Recht des Bürgers, durch Ausübung der Versammlungsfreiheit aktiv am politischen Meinungsprozess und Willensbildungsprozess teilzunehmen, gehört zu den unentbehrlichen Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens.

BVerfGE 69, 315 – Brokdorf

Vielen Studierenden der Rechtswissenschaften ist der Brokdorf-Beschluss ein Begriff. Der Beschluss aus dem Jahr 1985 gilt als eine der wichtigsten Leitentscheidungen rund um Art. 8 GG. Hintergrund des Geschehens waren die immer lauter werdenden Stimmen gegen Atomkraft und insbesondere gegen den in Brokdorf geplanten Bau eines Kernkraftwerkes. Verschiedene Aktionsgruppe beschlossen am 14.02.1981 eine Großdemonstration für den 28.02.1981, angemeldet werden sollte diese noch nicht direkt, sondern erst einige Tage später. Am 23.02.1981 erließ der Landkreis eine Allgemeinverfügung, also einen Akt, der für eine unbestimmte Anzahl von Adressaten erlassen wird, indem Anti-AKW Demonstrationen im umliegenden Gebiet für einen Zeitraum von drei Tagen verboten. Dieses Verbot betraf also unmittelbar die geplante, aber noch nicht angemeldete Großdemonstration für den 28.02.1981. Begründet wurde die Allgemeinverfügung damit, dass keine Versammlungen angemeldet worden waren für den betroffenen Zeitraum. Außerdem, selbst bei einer erfolgten Anmeldung hätten Anti-AKW Demonstrationen wegen des hohen Gewaltpotenzials verboten werden müssen. Dazu ist hinzuzufügen, dass es bei vorangegangenen Demonstrationen vereinzelt zu Gewalt von vereinzelten Gruppierungen kam.

Der geplante Veranstalter erhob – nachdem das OVG Schleswig-Holstein die Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung bestätigten und Infrage gestellt haben, inwieweit nicht angemeldete Demonstrationen überhaupt dem Versammlungsgrundrecht unterfallen – Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht. Bis Mai 1985 dauerte dessen Entscheidung, die bis heute als einer der wichtigsten Leitentscheidungen rund um Art. 8 GG gilt.

Das BVerfG hielt die Verfassungsbeschwerde für begründet und legte folgende Begründungen dar:

  1. Das Bundesverfassungsgericht bestätigt, dass die im Versammlungsgesetz niedergeschriebene Anmeldepflicht, dem Grundgesetz genügt. Spontandemonstrationen sind allerdings von der Anmeldepflicht ausgenommen.

Des weiteren kann ein Verbot einer Versammlung nicht alleine auf eine fehlende Anmeldung gestützt werden, denn Art. 8 GG gewährt Versammlungsfreiheit ohne Anmeldung oder Erlaubnis

  1. Mit dem Brokdorf-Beschluss füllt das Bundesverfassungsgericht ebenfalls Art. 8 GG inhaltlich aus und gibt Hinweise zur Definition der Versammlung. Es bezeichnet Versammlungsfreiheit als „das vornehmste Menschenrecht überhaupt“. Durch die Teilnahme an Versammlungen nehmen Bürger aktiv am politischen Meinungsbildungsprozess und Willensbildungsprozess teil; Art. 8 GG ist nicht nur ein Abwehrrecht gegen den Staat, sondern auch eine Freiheitsgarantie für deutsche Bürger. Es verfügt über eine positive und negative Ausprägung, das heißt das Recht an Versammlung teilzunehmen aber gleichfalls auch das Recht eine solche Teilnahme ohne Reperkussion zu unterlassen.
  2. Das Bundesverfassungsgericht machte darüber hinaus klar, dass Auflösung und Verbot nur zum Schutz gleichrangiger Rechtsgüter und lediglich unter Wahrung des der Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, bei einer unmittelbaren, und erkennbaren dieser gleichrangigen Rechtsgüter erfolgen kann.
    Verbot und Auflösung dürfen als ultima ration, also als letzte Möglichkeit nur nach der Erschöpfung milderer Mittel oder in Abwesenheit solcher angewendet werden.
  3. Ebenfalls stellte das Bundesverfassungsgericht heraus, dass die Schwelle für behördliches Eingreifen ansteigt, je mehr Kooperationsbereitschaft von seiten der Veranstalter gezeigt wird. Die Versammlungsbehörden haben also die oberste Pflicht zum versammlungsfreundlichen Verhalten.
  4. Insbesondere auf große Veranstaltungen bezogen arbeitet das Bundesverfassungsgericht heraus, dass die Versammlungsfreiheit friedlicher Demonstrationsteilnehmer auch dann erhalten bleibt, wenn mit Gewalttätigkeit Einzelner zu rechnen ist. Kurzum: Einzelne gewaltbereite Teilnehmer machen nicht die ganze Versammlung unfriedlich und lassen somit nicht den Grundrechtsschutz des Art. 8 GG entfallen.


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